ABG Frankfurt
ABG Frankfurt, Foto: pixabay

Die städtische Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt zählt zu den größten ihrer Art in Deutschland. Trotz ihres öffentlichen Charakters vergibt sie Aufträge in Millionenhöhe ohne Ausschreibung und agiert nach eigenen Angaben gewinnorientiert.

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Widersprüchliche Rolle eines kommunalen Unternehmens

ABG Frankfurt, zu 99,99 Prozent im Besitz der Stadt, erzielte 2023 einen Gewinn von rund 83 Millionen Euro. Dabei positioniert sich die Gesellschaft laut Geschäftsführung klar als gewerbliches Unternehmen. Die ABG betrachtet sich nicht als öffentlicher Auftraggeber und sieht sich dem Markt verpflichtet – eine Haltung, die Kritik von mehreren Seiten nach sich zieht.

Der Vorsitzende des Hessischen Landesverbands des Deutschen Mieterbundes, Gert Reeh, verweist auf den Gesellschaftsvertrag der ABG. Darin sei eine klare Verpflichtung zum Gemeinwohl verankert. Die günstigen Mieten, die die ABG in Frankfurt anbietet, reichen seiner Ansicht nach nicht aus, um sich ihrer Verantwortung gegenüber der Stadtbevölkerung zu entziehen.

Keine öffentlichen Ausschreibungen trotz Millionenaufträgen

Im Gegensatz zu anderen kommunalen Versorgern wie Mainova schreibt die ABG Aufträge nicht öffentlich aus. Nach EU-Recht wären solche Ausschreibungen ab bestimmten Schwellenwerten verpflichtend. Doch laut Unternehmenssprecher trifft das auf die ABG nicht zu – sie sei kein öffentlicher Auftraggeber.

Diese Einschätzung hat weitreichende Folgen. So bleibt unklar, nach welchen Kriterien Bauprojekte vergeben werden. Zwar existiert eine interne Beschaffungsrichtlinie, doch deren Inhalte sind nicht öffentlich zugänglich. Trotz mehrfacher Anfragen verweigert die ABG die Offenlegung. Ein Sprecher versichert, dass interne Kontrollmechanismen Korruption verhindern sollen – konkrete Einblicke gibt es jedoch nicht.

Urteil aus Karlsruhe mit möglicher Signalwirkung

Ein ähnlicher Fall wurde vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe verhandelt. Dort klagte ein Gartenbauunternehmer gegen eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft. Das Gericht entschied, dass auch städtische Wohnbaugesellschaften öffentlich ausschreiben müssen, wenn sie allein im Besitz einer Kommune sind und öffentliche Aufgaben erfüllen.

Der Stuttgarter Anwalt Klaus Scherf, der das Urteil erstritt, sieht Parallelen zur Situation in Frankfurt. Auch hier sei es wahrscheinlich, dass die Stadt die ABG bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten stützen würde. Damit sei die Gesellschaft nicht unabhängig – ein zentrales Kriterium für die Ausschreibungspflicht.

Großprojekt Hilgenfeld ohne Fortschritte

Ein konkretes Beispiel für die intransparente Vergabepraxis ist das Projekt Hilgenfeld im Norden Frankfurts. Seit Jahren plant die ABG dort den Bau von 850 Wohnungen – bislang wurde jedoch nicht mit dem Bau begonnen. Öffentliche Informationen zu Kosten, Zeitrahmen oder Partnerfirmen fehlen. Auch interessierte Wohnprojekte wie die Genossenschaft GoN Artgenossen erhalten keine Auskünfte.

Eine ursprünglich geplante Zusammenarbeit mit fünf gemeinschaftlichen Wohninitiativen wurde stark reduziert. Drei der Gruppen haben sich bereits zurückgezogen, weil sie keine Planungssicherheit erhielten. Der Vorstand von GoN beklagt, dass selbst grundlegende Fragen zu Mietkonditionen unbeantwortet bleiben.

Öffentliche Kontrolle bleibt schwach

Der Frankfurter Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) steht dem Aufsichtsrat der ABG vor. Kritik an der Ausrichtung des Unternehmens ist von ihm nicht zu hören. Stattdessen verteidigt sein Dezernent Markus Gwechenberger die Argumentation der ABG nahezu wortgleich.

Der Hessische Rechnungshof plädiert grundsätzlich für Ausschreibungen. Präsident Walter Wallmann verweist auf deren Bedeutung für Transparenz, fairen Wettbewerb und Prävention von Korruption. Ob auch die ABG darunter fällt, bleibt juristisch umstritten.

Wichtige Fakten im Überblick

  • ABG Frankfurt gehört zu 99,99 % der Stadt und erzielte 2023 rund 83 Mio. Euro Gewinn.
  • Trotz öffentlicher Struktur vergibt sie Großaufträge ohne Ausschreibung.
  • Ein Urteil in Karlsruhe bestätigt: Kommunale Wohnbaugesellschaften müssen ausschreiben.
  • Großprojekt Hilgenfeld mit 850 Wohnungen verzögert sich seit Jahren – ohne transparente Informationen.
  • Kritik kommt vom Mieterbund, dem Rechnungshof und betroffenen Genossenschaften.
  • Für Ende dieser Woche kündigte die ABG eine Pressemitteilung mit weiteren Informationen an. Ob sie mehr Klarheit bringt, bleibt abzuwarten.

 Quelle: Hessenschau

 

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